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Unter deiner Sonne
Will ich etwas verteidigen? Mich selbst vielleicht, oder nur den Versuch unter-
nehmen, hinfort- wie zurückzugehen?
Einst zog ich aus, für ein Land, einen Gedanken, für einen Sieg über alles und
jeden, immer aus dem Antrieb heraus, zu beschützen.
Die Wangen meiner Tochter gestreichelt, die Tränen meiner Frau getrocknet,
nur zum Abschied hin, so wurde es mir schwer im Herzen, so schwer, wie es
mich für den Moment aufleben lies, als ich daran dachte, was mir bevorstand.
Letzter Zustrom, letzter Gedanke, fest umgriffen im Glaube, sie schon bald wieder-
zusehen. Malte mir vieles aus, malte mit Sehnsucht Farben hell leuchtend über
den Himmel, doch darunter lag alles in Angst und Schrecken, reinste Düsternis.
Nichts, wie gemalt, sondern wie erwacht, aus einem Grauen, einem Schrecken
heraus.
Wollte nur noch heimkommen, wollte sie einfach wiedersehen, wollte es nur
mehr überleben, doch was dann?
Sah ich doch, was Stolz und Verblendung mit sich führten.
Überleben, für sie beide, doch für mich dies hier mit mir nehmen, mit sich tragen,
was hier geschehen. Brennende Wunden, Aufopferung, Vernichtung.
Auf jeden Centimeter nur Verdammnis, Blut, ein Meer aus Schlamm und Vergeltung.
Und daneben wir.
"Bitte, Papi, halt die Sonne hoch, man darf sie nicht verlieren."
Doch so wie es hier steht, ist sie wohl schon lange begraben.
In Rauchschwaden, unter dem Donnergrollen der Geschütze gibt es nur Nacht,
gibt es nur Finsternis und diesen einen Graben, in dem wir zu fünft, hoffentlich
wirklich noch zu fünft, nein, nur mehr zu viert wachend.
Ein Graben geschlagen in unsere Herzen. Gedanken sind so klein geworden,
dass man sie nur mehr überhört. Einzig der stumme Herzschlag, den man noch
verspürt.
Was verteide ich hier? Mein Leben vielleicht, oder doch die Angst und Furcht
vor dem Morgen? Vor einem weiteren, vor keinem weiteren? Vor dem Erwachen,
bei euch, ohne auch nur ein Wort zu finden, nur ein Wort zu verlieren?
Scheint alles verloren, Verzweiflung rinnt meinen Wangen feucht hinab.
Niemand mehr hier, der mich erretten könnte, der für mich auszieht, hinaus
in diese Schlacht, um Land, um Gerechtigkeit, um Ehrgefühl, in dieses Gemetzel,
an Menschen und Menschlichkeit.
So schmerzt meine Brust, mein Herz es bricht.
Weiss nicht mehr aus, noch ein.
Bis ein Leuchten, ein Strahlen mich zu leiten sucht.
Ein Geschoss, das zerborsten, ein Projektil, das zersprengt?
Nein, es ist etwas anderes, es... es ist sie!
Die Sonne, ich seh sie wieder, mein Kind!
Dein Papa wird sie beschützen, wird sie für dich hochhalten.
Mögt ihr mir verzeihen, für diese eine Lüge, aber werde nicht mehr wiederkehren,
doch meinen Mut, den Grund, niederzugehen, den Kampf zu enden, habe ich nun
endlich gefunden.
Ja, ich verteidigte erst meine Eitelkeit und dann meine Furcht, doch nun strebe
ich nach ihr, nach euch, nach dem Ende! Nicht in Verblendung, nicht in einem
Anstoss von Verwirrung dieses Krieges, sondern nach dem Licht in meinem Herzen.
Es tut mir Leid, mein Kleines, dass ich glaubte, die Sonne sei verloren und schon
längst verloschen. Das werde ich nie wieder zulassen.
Zwar wird dieses Leben enden, doch das Licht wird fortbestehen.
In Kamerad, wie in Feind, gespiegelt in den Meeren der Trauer und Traurigkeit.
In einer Zukunft, die wir weitergeben - und - so lege ich meine Waffe nieder.
Schreite in den Kugelhagel, um zu zeigen, dass wir Mensch, dass wir nicht nur
müde und frierend, durchnässt und am Bluten, sondern auch aufmarschierend
und einstehend, rücksichtsvoll und weitergebend.
Denn es ist egal, wer stirbt, wir sind schliesslich alle Menschen.
Wir kämpfen alle für ein Heim, unter deiner Sonne, mein Kind.
Leb wohl, dein Papa.
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